„Wie sag ich´s meinem Kinde?“, fragt sich Achim nicht nur bezüglich Erziehungsfragen zu Hause, sondern auch in Sachen Erkenntnisgewinn in seiner Fachgruppe in Bielefeld. Als Professor für Wirtschaftsinformatik an der dortigen Fachhochschule stellt sich ihm diese Frage allerdings eher rhetorisch, denn er weiß, wie man´s macht – Professor eben. Bei seinem jüngsten Projekt jedoch muß die Frage der Vermittlung kniffliger gewesen sein. Denn aus dem Material rund um die Causa, die es zu erklären, zu ergründen und zu vermitteln galt, wurde ein ganzes Buch. Nichts geringeres als die Frage nach der besten Methode für das Service Management von IT, Rückgrat und Geißel allen unseres gegenwärtigen Seins, ist der Gegenstand besagten Buches. Vorgelegt wird es als Ergebnis einer Umfrage, die Achim seine Studierenden von Ende November 2018 bis Anfang Januar diesen Jahres bei IT-Verantwortlichen aus 85 Unternehmen, Öffentlichen Betrieben und Verwaltungen in OWL durchführen ließ. In Bielefeld weiß übrigens jeder, was OWL ist, Nicht-Bielefeldern erklären wir´s am Ende des Interviews. Jetzt aber erst mal zu dem, was Achim bzgl. ITSM (IT Service Management) im Allgemeinen und zum Buch im Besonderen zu sagen hat:
Konrad Buck: Was war deine Motivation, dieses Buch zu machen? Am ITSM kann man sich ja mächtig die Finger verbrennen!
Achim Schmidtmann: Deswegen habe ich es ja in erster Linie meine Studierenden machen lassen. Nein, Spaß beiseite, es gibt mehrere Gründe für dieses Buch bzw. die Umfrage und die weiteren Inhalte im Buch. Zuerst einmal beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren mit ITSM und fand, dass es in letzter Zeit bei den Unternehmen, mit denen ich in verschiedenen Themen zusammenarbeite, eher still um das Thema geworden ist. Dagegen stehen die insbesondere von einigen ITSM-Aktiven propagierten neuen Trends, die ein scheinbar anderes Bild malen. Darüber wollte ich mehr herausfinden und die Studierenden mit in diesen Lern- und Erfahrungsprozess einbinden. Die größte Schwierigkeit war dabei die durch das Wintersemester vorgegebene sehr kurze Zeitspanne.
OK, es ist ein Buch, aber warum dauert es bis Seite 47, bis die ersten Umfrageergebnisse kommen?
Das Buch heißt ja im Untertitel „Umfrage und aktuelle Trends“. Dieses war schon mit Bedacht gewählt. Denn wir wollten die Umfrage in Gänze, also von den ersten Überlegungen und Planungen bis zu den Ergebnissen durchführen. Es ist daher mehr ein Bericht über die Planung und Durchführung der Umfrage geworden, der mit der Darstellung der Ergebnisse endet. Hinzu kommt noch die Harry Rowohlt´sche Einschleimphase, um die Leserschaft auf das Thema ITSM ein wenig vorzubereiten. Aber es gibt ja ein Inhaltsverzeichnis, so dass eine gezielte Auswahl von bestimmten Teilabschnitten des Buches möglich wird.
Insgesamt sind nur 11 Prozent der Teilnehmer mit dem ITSM in ihrer Organisation sehr zufrieden. Was macht es so schwer, IT-Admins vollkommen glücklich zu machen?
Ich weiß nicht, ob IT-Admins hier wirklich der richtige Begriff ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage haben ganz unterschiedliche Positionen in der IT und auch in benachbarten Abteilungen. Generell schätze ich das deutsche Naturell so ein, dass ein „sehr zufrieden“ bei IT und Prozessen eigentlich fast unmöglich ist. Ein „zufrieden“ ist hier schon fast ein Ritterschlag und somit war ich eigentlich eher überrascht, wie positiv ITSM insgesamt eingeschätzt wurde. Sehr wahrscheinlich weichen aber auch die Vorstellungen, wie ITSM in der Organisation beschaffen sein sollte, sehr voneinander ab. Insoweit war ich also eher überrascht, dass nur 17% der Teilnehmer angaben, eher nicht, nicht und gar nicht zufrieden zu sein. Das ist doch ein hervorragender Wert.
Die meisten Ergebnisse kannte man ja schon vor der Studie (hohe Arbeitsbelastung als Grund für Duldungsstarre statt Durchgreifen, reaktives statt proaktives Arbeiten, niedrige IT-Budgets, etc.) – Was ist der zentrale, bisher unbekannte Knaller der Studie aus deiner Sicht?
Das ist leider völlig richtig und ein wirklicher Knaller hat sich nicht offenbart. Etwas überraschend war für mich allerdings der generell recht positive Tenor. Auch auf die Frage bzgl. der Vorbereitungen auf die Herausforderungen der Digitalisierung haben nur 14% diese als eher schlecht beurteilt. Bei der Abfrage der Trends zeigte sich, dass Begriffe wie DevOps und ESM noch nicht so bekannt sind. Gleichzeitig gab es aber bei der Beurteilung jedes Trends sehr viel mehr Antworten bzgl. „definitiv relevant“ als „weiß nicht“. Also auch hier besteht viel Interesse und es passiert auch schon einiges, so dass mein Eindruck eines „stillen ITSM“ wohl falsch war.
Das Buch enthält sechs Beiträge zu aktuellen Trends im ITSM: ITIL4, Agiles ITSM, ITSM mit DevOps, Schatten-IT, Enterprise Service Management und ITSM und IT-Sicherheit. Alle sehr aufschlußreich. Hat Euch beim Verfassen des Buches das Mitleid gepackt? Ist das Buch also eher eine Anleitung zum Glücklichsein?
Die These, dass Wissen glücklich macht, kann ich nicht generell unterschreiben. Es freut mich, dass die Beiträge aufschlussreich sind und genau das sollen sie ja auch sein. Wie oben schon angedeutet, sind diese Trends noch nicht alle gut bekannt und wir wollten dazu beitragen, Wissenslücken zu schließen. Möglicherweise haben Umfrageteilnehmer*innen nach dem Lesen der Beiträge festgestellt, dass sie in der Umfrage falsch geantwortet haben, da Sie den Trend nur vermeintlich kannten. Hoffentlich hat das nicht zu einer unglücklichen Stimmung geführt.
Nützliche Links:
Öffentlicher Link aufs Buch: https://www.fh-bielefeld.de/wug/presse/publikation-zu-it-service-management-in-owl
URL des Fachbereichs Wirtschaft und Gesundheit: https://www.fh-bielefeld.de/wug
Hintergrund zur Bielefeld-Verschwörung: https://www.welt.de/vermischtes/kurioses/article113141693/Der-Mann-hinter-der-grossen-Bielefeld-Verschwoerung.html
Und wie oben versprochen hier endlich die OWL-Erklärung: Bei OWL handelt es sich weder um den ICAO-Code der Maui Airlines, noch um die Object Windows Library, eine Software-Bibliothek von Borland zur Erstellung grafischer Oberflächen aus den 1990er-Jahren, und erst recht nicht um das Overwhelmingly Large Telescope, eine Fernrohrstudie der ESO, sondern um Ostwestfalen-Lippe, eine Region in Nordrhein-Westfalen.